Über Meditation

Leben ist Meditation – Meditation ist Leben

 Es gibt viele Arten von Meditation, von denen die meisten darauf abzielen, den Geist, unser Denken so sehr zu beruhigen, dass eben keine Gedanken mehr erscheinen. Dies wird zum Beispiel erreicht durch einspitzige Konzentration (im Sinne einer alles andere ausschließenden Fokussierung) auf den Atem oder auf ein Mantra (man wiederholt immer dieselben Worte wie „Om“ oder „Om mani peme hum“) oder auch auf Klänge, gerne Klangschalen. Diese Stille im Kopf, die dann eintritt, hat einige sehr angenehme Effekte, so zum Beispiel, dass man in eine sehr friedvolle Stimmung gelangt, sich fast wie vom Kokon der Seidenraupe umwoben fühlt und schließlich – da sich die Grenzen der materiellen Welt aufzulösen scheinen – eine Art Erfahrung des All-Einen, der Non-Dualität macht. In den Formen dieser einspitzigen Meditation gelangt man verhältnismäßig schnell und ohne großen Arbeitsaufwand in diese Zustände – daher sind sie so beliebt. Jedoch halten sie in der Regel nicht lange vor. Sobald man wieder im Alltag ist, tauchen die alten (zum Teil sehr negativen und destruktiven) Strukturen wieder auf und man verfällt zurück in seine alten Denk- und Handlungsmuster. Praktizierende der einspitzigen Meditation sind dann oft sehr frustriert, da es ihnen nicht gelingt, diese „Erkenntnis des All-Einen und der Non-Dualität“ im Alltag umzusetzen, einen friedvollen und ruhigen Geist ganztätig aufrecht zu erhalten. Diese Meditationsform ist somit nicht nachhaltig.

 „Die Gedanken anzuhalten, den Geist zu unterdrücken und alle Dinge in die Leere zu verschmelzen, ja, gar die schwächsten gedanklichen Regungen zu unterdrücken stellt die größte Falle dar: Die Falle der toten Leere. Auf diese Weise wird man zum lebendigen Toten, abgestumpft, teilnahmslos, gefühllos und träge“

(Zen-Meister Po-Chan, zitiert nach: Zensho Kopp: „Der große Zen-Weg“)

 Ich bin Kloster in Thailand auf einen Mönch gestoßen, der auf diese falsche Art praktiziert hat, so erfuhr ich von einem meiner Brüder (jener Mönch entstammte allerdings einer anderen, der sehr strengen Mahadhammika-Tradition); dieser junge (!) Mönch war sichtlich verwirrt und kam einfach nicht mehr klar. Das kann einem blühen, wenn man falsch und mit unerbittlicher Härte versucht, seine Gedanken abzutöten.

Das hat damals auch der Buddha Gautama erkannt, und er verstand, dass über die Beruhigung des Geistes hinaus auch Erkenntnis (vipâssana) vorhanden sein muss, wenn man zur Leidbefreiung gelangen möchte. Diese Erkenntnis ist konkret das Sehen und Verstehen der Vorgänge und Funktionsweise in unseren Köpfen. Wie entsteht ein Gedanke? Wie entsteht aus ihm ein behagliches oder unbehagliches Gefühl im Solarplexus? Wie reagiert mein Geist auf dieses Gefühl ( à Begehren)? Was passiert danach? Was danach? Wovon hier die Rede ist, ist die Kette des Bedingten Entstehens.

 „Wer Bedingtes Entstehen sieht, sieht das Dharma (die letztendliche Wahrheit); wer das Dharma sieht, sieht Bedingtes Entstehen!“ (Buddha)

 Um zu dieser Erkenntnis zu gelangen ist es aber unbedingt erforderlich, alles, was erscheint, zuzulassen und eben nicht, wie in der einspitzigen Meditation, wegzudrängen. Es geht darum zu beobachten, was in uns geschieht. Ich kann aber nur beobachten, was auch da ist. Daher werden auch Gedanken zugelassen und beobachtet, wie sie von allein kommen und von allein wieder gehen. Und wie unsere Aufmerksamkeit sich von ganz allein hin bewegt zu einem Gedanken, oder auch einem Geräusch oder einer körperlichen Empfindung. Auf diese Weise erkennt man langsam aber sicher die Wesensmerkmale alles erschaffenen, dinglichen (grob- oder feinstofflich) Seins:

Anatta (Nicht-Selbst): Was immer geschieht, geschieht von ganz allein und ohne mein Zutun … da ist kein handelndes „ICH“

Anicca (Vergänglichkeit): Was immer von allein kommt, geht auch von allein wieder – alles ist nur vorübergehend da und vergeht wieder.

Dukkha (Leid): Wenn Angenehmes entsteht, entsteht Leid, sobald es wieder   verschwindet; wenn Unangenehmes entsteht, so ist auch das leidhaft. Somit birgt alles in sich potentiell die Fähigkeit, Leid zu erschaffen

Aus diesen drei Wesensmerkmalen folgt, dass, was immer geschieht, lediglich völlig unpersönlicher Vorgang ist, es sind nur natürliche, auf einander aufbauende Prozesse, die sich im Außen und im Innen abspielen; und es tut keineswegs Not, diese Dinge persönlich zu nehmen. Wenn ich etwas nicht mehr persönlich nehme, dann fällt es mir viel, viel leichter, es einfach loszulassen. Der traurige, wütende oder besorgte Gedanke hat mit mir nichts zu tun … er ist einfach erschienen. Warum? Das mögen Hirnforscher beantworten. Für uns ist wichtig, dass wir uns aus all den negativen Gedanken oder auch Emotionen nichts machen, also aus ihnen nicht mehr machen, als sie sind. Und sie sind einfach nur, was sie sind: Gedanken, Emotionen, Empfindungen.

Wenn uns gelingt, das in der Meditation (und dann natürlich die gesamte Wachzeit über) zu beobachten, erkennen wir unsere freie Entscheidung, einen Gedanken zu denken – mit all seinen im Zweifel leidvollen Konsequenzen – oder ihn loszulassen. Erforderlich hierfür ist „nur“ die Entwicklung von Achtsamkeit, was bedeutet:

 Jederzeit daran zu denken zu beobachten, wie unsere Aufmerksamkeit sich von einem Moment zum nächsten von einem Thema zum nächsten bewegt.

 Wachheit und Sanftheit, das ist das Leitmotiv der Meditation, so wie Buddha Gautama sie gelehrt hat (MN 62):

13. „Ràhula, entwickle Meditation, die gelassen wie die Erde ist; denn wenn du Meditation entwickelst, die gelassen wie die Erde ist, werden erschienene angenehme und unangenehme Kontakte[1] nicht in deinen Geist eindringen und dort bleiben. Gerade so wie die Leute saubere Dinge und schmutzige Dinge, Kot, Urin, Speichel, Eiter und Blut auf die Erde werfen, und die Erde deswegen nicht entsetzt, gedemütigt und angewidert ist, genauso, Ràhula, entwickle Meditation, die gelassen wie die Erde ist; (…)“

 14. „Ràhula, entwickle Meditation, die gelassen wie Wasser ist; denn wenn du Meditation entwickelst, die gelassen wie Wasser ist, werden erschienene angenehme und unangenehme Kontakte nicht in deinen Geist eindringen und dort bleiben. Gerade so wie die Leute saubere Dinge und schmutzige Dinge, Kot, Urin, Speichel, Eiter und Blut im Wasser waschen, und das Wasser deswegen nicht entsetzt, gedemütigt und angewidert ist, genauso, Ràhula, entwickle Meditation, die gelassen wie Wasser ist; (…)“

 15. „Ràhula, entwickle Meditation, die gelassen wie Feuer ist; denn wenn du Meditation entwickelst, die gelassen wie Feuer ist, werden erschienene angenehme und unangenehme Kontakte nicht in deinen Geist eindringen und dort bleiben. Gerade so wie die Leute saubere Dinge und schmutzige Dinge, Kot, Urin, Speichel, Eiter und Blut im Feuer verbrennen, und das Feuer deswegen nicht entsetzt, gedemütigt und angewidert ist, genauso, Ràhula, entwickle Meditation, die gelassen wie Feuer ist; (…)“

 16. „Ràhula, entwickle Meditation, die gelassen wie Wind ist; denn wenn du Meditation entwickelst, die gelassen wie Wind ist, werden erschienene angenehme und unangenehme Kontakte nicht in deinen Geist eindringen und dort bleiben. Gerade so wie der Wind über saubere Dinge und schmutzige Dinge, Kot, Urin, Speichel, Eiter und Blut streicht, und der Wind deswegen nicht entsetzt, gedemütigt und angewidert ist, genauso, Ràhula, entwickle Meditation, die gelassen wie Wind ist; (…)“

 17. „Ràhula, entwickle Meditation, die gelassen wie Raum ist; denn wenn du Meditation entwickelst, die gelassen wie Raum ist, werden erschienene angenehme und unangenehme Kontakte nicht in deinen Geist eindringen und dort bleiben. Gerade so wie Raum sich nirgendwo auf etwas stützt, genauso, Ràhula, entwickle Meditation, die gelassen wie Raum ist; (…)“


[1] Zur Erinnerung: Sinnenobjekt trifft auf Sinnesorgan; es entsteht Sinnenbewusstsein; diese drei zusammen ergeben Kontakt; aus Kontakt entsteht Gefühl, hieraus Begehren, hieraus Anhaftung u.s.w.

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