Namasté 🙂
Auf dem „vivendo“ – Blog stieß ich auf ein Thema, das mich dazu animiert hat, ein paar Zeilen zu schreiben: Es geht um Wunder. Oder auch darum, ob man an Wunder glaubt.
Was ist ein Wunder? In dem besagten Artikel wird hierzu einmal wikipedia bemüht, wo es unter anderem heißt:
Im engeren Sinn versteht man darunter ein Ereignis in Raum und Zeit, das menschlicher Vernunft und Erfahrung und den Gesetzlichkeiten von Natur und Geschichte scheinbar oder wirklich widerspricht.
Kann ein Ereignis den Gesetzlichkeiten der Natur „wirklich“ widersprechen? Sicher nicht. Wie soll sich die Natur selbst widersprechen? Wie sollte ein Naturgesetz dem anderen zuwider laufen, es aber gleichzeitig bestehen lassen. Denkbar ist das nur ein einer einzigen Form: Den beiden scheinbar zuwider laufenden Gesetzmäßigkeiten liegt eine Gesetzmäßigkeit auf einer tieferen Ebene zugrunde, welches die beiden in seiner Tiefe vereint; es ist eine Ebene, auf der sich die beiden Phänomene gar nicht wirklich widersprechen. Es handelt sich lediglich um eine Ebene, die sich unserem menschlichen Verstand entzieht. In der Konsequenz dessen stimmt die o.g. Definition also nur teilweise, nämlich insoweit, als ein scheinbarer Widerspruch vorliegt.
Alles unterliegt der universalen Gesetzmäßigkeit von Ursache und Wirkung:
Wenn dieses ist, wird jenes; wenn dieses entsteht, entsteht jenes;
wenn dieses nicht ist, wird jenes nicht;
wenn dieses aufhört, hört jenes auf.
(Buddha, Samyutta-Nikaya II.12.2)
Ob und wie nun etwas zum Entstehen gelangt, dazu mag Marie von Ebner-Eschenbach Auskunft geben, wenn sie über den Zufall sagt: „Zufall ist in Schleier gehüllte Notwendigkeit.“ Angewandt auf das Wunder bedeutet das: In dem Moment, da sich uns ausnahmslos alle Naturgesetze erschlossen haben und gleichwohl dann etwas geschieht, das sich jeder Nachvollziehbarkeit entzieht, wird man es wohl ein „Wunder“ nennen können. Ich glaube aber nicht, dass das je der Fall sein wird, und zwar weder das Eine noch das Andere! Insoweit glaube ich nicht an Wunder; alles entspringt der kosmischen Insichstimmigkeit und so verwunderlich das manchmal auch sein mag, mit „Wunder“ hat es nichts zu tun, und schon gar nicht mit etwas „Übernatürlichem“ – es gibt gar nichts „Übernatürliches“, wir können manches nur nicht erklären.
Auf einer etwas anderen Ebene können wir aber von „Wundern“ auch sprechen, wenn wir den „Wahrscheinlichkeitsfaktor“ mit einbeziehen. Wenn etwas mit „an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit und allgemeiner Lebenserfahrung“ nicht eintreffen wird, und es trifft doch ein, dann könnte man – gemäß einer etwas gelockerten Definition – von „Wunder“ sprechen. Wie wahrscheinlich aber ist etwas? Ist unsere allgemeine Lebenserfahrung das Maß der Dinge? Nur weil etwas als „unwahrscheinlich“ angesehen wird, ist es noch lange nicht unwahrscheinlich. Ich gehe sogar noch einen Schritt weiter und behaupte, dass aus kosmischer, universaler Sicht, auf der Ebene dessen, dass alles entsteht, weil die erforderlichen Umstände für das Entstehen vorlagen, jedes Entstehen gleich wahrscheinlich ist – ist es doch nur Konsequenz des Vorausgegangenen. Dinge können entweder zum Entstehen gelangen oder nicht. Wahrscheinlichkeitsrechnung ist vom Menschen gemacht, das ewige Werden und Vergehen hingegen von „Gott“.
Mir ist übrigens aufgefallen, dass der Begriff „Wunder“ immer mit etwas Positivem assoziiert wird. Nun, wenn ich es als „Wunder“ bezeichne, wenn etwas eintritt, womit niemand auf der Welt rechnen konnte, dann muss ich es auch als Wunder verstehen, wenn meinem Nachbarn ein Dachziegel auf den Kopf fällt. Ich stelle mir die Blicke der Umstehenden vor, wenn ich daneben stehe und ausrufe: „Oh, ein Wunder!“ Denn es ist ein „Wunder“, wenn man bedenkt, wie viele Bedingungen in den letzten 4,6 Milliarden Jahren (wenn man sich auf das Entstehen der Erde beschränkt) vorgelegen haben müssen, damit es zum Eintritt dieses Ereignisses kam. Daran sieht man, wie „menschlich“, wie „künstlich“ dieses Konzept „Wunder“ ist.
Wenn man nun fragt: „Glaubst Du an Wunder?“, dann würde vor dem Hintergrund des Gesagten diese Frage völlig sinnleer, denn übersetzt hieße sie: „Glaubst Du, dass Dinge geschehen können, mit denen nach allgemeiner Lebenserfahrung kein Mensch auf der Welt rechnen konnte?“ Fast jeder würde auf diese Frage wohl mit einem klaren „Ja“ antworten.
Spannend wird es in dem Moment, da wir die Frage stellen: „Können wir denn so etwas herbeiführen?“ „Können wir Wunder möglich machen?“ oder anders formuliert: „Haben wir Einfluss darauf, dass etwas zum Entstehen gelangt, obwohl nach allgemeiner Lebenserfahrung und dem ‚Gesetz der Wahrscheinlichkeit’ niemand auf der Welt damit rechnen konnte?“ Ich möchte diese Frage ebenfalls mit einem klaren „Ja“ beantworten. Aber anders gemeint, als dieses „Ja“ wohl gemeinhin ausgesprochen wird, nämlich nicht im Sinne eines „von oben Gemachten“, einer „göttlichen Intervention“. Heran ziehen möchte ich hierzu das Phänomen der „self-fulfilling prophecy“; hiernach können negative Dinge entstehen, wenn man nur fest genug davon überzeugt ist, dass sie geschehen. Dem zu Grunde liegt aber nichts weiter, als dass man durch sein Handeln immer tatsächliche Konsequenzen herbeiführt, das Geschehen um sich herum beeinflusst. Unbewusst öffnet man Türen, die das Entstehen von Ereignissen möglich machen (natürlich auch wieder nur als Folge von Ursache und Wirkung – mit etwas „Übernatürlichem“ hat auch das nichts zu tun) Das Unbewusste ist handlungsleitend, und so öffnen unser Handeln und unsere Wahrnehmungen wechselwirkend besagte Türen. Warum soll das nicht auch für Positives gelten? Jeder kennt den Spruch: „Du musst nur fest daran glauben“, oder „Glaube versetzt Berge“. Das ist das „wesensgleiche Plus“ zur sich selbst erfüllenden Prophezeiung. Und auf diese Weise können wir „«Wunder» möglich machen“.
„Aber“, so heißt von Meike im Artikel, „um ein Bewusstsein für diese Art von «Wundern» zu kreieren, ist es wichtig, dass Menschen überhaupt erst einmal aufwachen.“ Ja, absolut. Es gibt sie, diese „Wunder“, und es gilt, dahin aufzuwachen, in jeder Kleinigkeit, in jedem Grashalm, in jeder Ameise, in jedem vorbei fliegenden Kometen, in jedem Windhauch, in jedem Atemzug und jedem Herzschlag das „Wunder der Natur“, das Unbegreifliche, das Göttliche zu erkennen und … es zu lieben! Das ist eine Bedeutung von „Zur Liebe erwachen“! Wir brauchen kein Konzept wie „Wunder“, wir brauchen nur allumfassende Liebe und Mitgefühl mit allen fühlenden Wesen; in dieser Liebe öffnen wir uns ganz von allein all dem, was geschehen kann und machen es damit möglich; was dann schlussendlich geschieht, können wir getrost „den Göttern“ überlassen – es wird in jedem Fall „gut“ sein. Und wieder komme ich auf Dschelalleddin Rumi: „Liebe, nur Liebe – wir haben sonst kein Werk!“
Ich also glaube nicht an Wunder, jenes künstliche Konzept, das uns Menschen eine Art Hoffnung geben kann (und zudem die Gefahr in sich birgt, tatenlos zu werden, denn „Ich weiß, es wird einmal ein Wunder geschehen [Zarah Leander]“).
Aber ich „glaube“ an Wunder im Sinne eines Staunens vor der unermesslichen Vielfalt und Insichstimmigkeit kosmischen Werdens und Vergehens, „jenseits von Gut und Böse“. An diese Wunder muss man nicht glauben, die kann man sehen, wenn man mit dem Herzen schaut. Und wer mit liebendem Blick auf diese Wunder schaut, schaut die Liebe selbst. Und ein solcher erschafft Wunder, und ein solcher erschafft Liebe!
Und auch, wenn da niemand oben im Himmel oder sonst wo sitzt, der sich irgendetwas „ausdenkt“, möchte ich doch mit dem Kommentar von Steffie unter dem besagten Artikel schließen, weil ich ihn so schön einfach und treffen fand (und auch vor meinem Fenster der Schnee tobt):
„Ich denke, wenn wir in allem, was wir sehen, ein Wunder sehen, werden wir bewusster für alles um uns herum. Gerade sehe ich zum Fenster hinaus und es schneit schon wieder ganz heftig – und ich denke so bei mir, welch ein Wunder doch Schneeflocken sind – keine einzige gleicht der anderen und jede einzelne bildet einen traumhaft schönen Kristall. Und obwohl ich weiß, wie eine Schneeflocke entsteht, empfinde ich sie doch immer wieder als Wunder – dass sich überhaupt jemand etwas so Schönes ausdenken kann!“
Metta sendet von Herzen
„Phra“ Michael