Gedanken zum Advent

DSC00047Der Begriff „Advent“ stammt ja bekanntlich aus dem Lateinischen (Verb ‚advenire‘, Substantiv ‚adventus‘); es bezeichnet in der christlichen Tradition die „Ankunft des Herrn“, und so ist der Advent die Zeit vor Weihnachten, in der die Christenheit sich auf die Geburt Jesu, die „Menschwerdung Gottes“, einstimmt.

Die „Ankunft Gottes“ … nun, ich frage mich (alle Jahre wieder 🙂  ): Worin besteht die „Ankunft Gottes“, die alljährlich von so vielen Menschen begangen wird (obwohl unter dem Strich wohl nicht so viele Menschen übrig bleiben, die wirklich um dessentwillen feiern) ? Natürlich hat man allen Grund sich zu freuen, dass ein „Messias“, ein „Prophet“, ein „Sohn Gottes“ oder vielleicht einfach nur ein „Erleuchteter“ zu den Menschen gekommen ist, um ihnen den Weg aus ihrer ewigen Misere zu weisen – gleichviel, ob er Jesus heißt oder Buddha Gautama oder sonst wie. Gleichwohl befriedigt mich das allein nicht. Denn, so frage ich mich immer wieder: Ist es nicht vielmehr so, dass es an uns ist, zu Gott zu kommen denn Gott zu uns? Denn Gott, wie auch immer man ihn in den verschiedensten Religionen und Traditionen interpretiert, ob man überhaupt von Gott spricht oder nur von dem EINEN, dem kosmischen Bewusstsein oder wie auch immer, ist doch und war immer da und allgegenwärtig.

Und doch, so paradox es scheinen mag, müssen wir „IHN“ hereinlassen, damit er in uns wirken kann. Wir müssen die Tür unseres Herzens öffnen, im Gegensatz zu den Herbergsbetreibern, die Maria und Josef abgewiesen haben – die Tür vor ihnen verschlossen. Wir müssen ihn hineinlassen, um zu IHM kommen zu können.

Wie aber soll etwas zu mir kommen, wenn es schon da ist? Wie soll ich zu irgendetwas gelangen, wenn ich schon da bin? Zeigt sich hierin nicht die wechselseitige Durchdringung des Göttlichen mit dem Menschlichen, die bedeutet, dass es zwischen Gott und dem Menschen keine Trennung gibt?

 „So einige törichte Leute meinen, sie müssten Gott sehen ganz so, als

stünde er ihnen gegenüber. Doch das ist nicht so.

Gott und ich sind Eins in der Erkenntnis.“

(Meister Eckhart)

 

„Ich bin so groß wie Gott, er ist als ich so klein;

Er kann nicht über mir, ich unter ihm nicht sein.

 

Ich bin Gott’s ander ER, in mir find’t er allein,

was ihm in Ewigkeit wird gleich und ähnlich sein.“

(Angelus Silesius)

 

„Ich bin der, den ich liebe, und der, den ich liebe, bin ich.

Ich bin Allah, und Allah ist ich. Wer mich sieht, sieht uns.“

(Al-Halladsch)

Die mich in diesem Augenblick irgendwie berührende Konsequenz dieser recht spontan gekommenen Überlegung ist: Im Ergebnis müssen wir uns dann also selbst in uns hineinlassen, mit anderen Worten: „Zu uns kommen“. „Zu sich kommen“ wird ja regelmäßig gebraucht im Sinne von „das Bewusstsein wiedererlangen“. Und so kommt der Advents-  und Weihnachtszeit eine ganz interessante Bedeutung zu, auch für „atheistische“ Spirituelle: Der Advent als eine Zeit der Bewusstwerdung, des bewusst-WERDENS, das schließlich mündet im bewusst-SEIN, dem Moment der Geburt des Göttlichen in uns, der Einswerdung (unio mystica „auf christlich“, wudschud „auf islamisch“, Erwachen zur Wahren Natur der Dinge „auf buddhistisch“). Und dieser Bewusstwerdungsprozess ist immerwährend … womit auch immer Advent ist, und … von Moment zu Moment … auch immer Weihnachten.

Auf dass wir alle mehr und mehr zu uns kommen mögen, das wünsche ich uns dieses Jahr zu Weihnachten … an 365 Tagen 🙂

Mit METTA

„Phra“ Michael