Harmonische Kommunikation – gewaltfreie Kommunikation

Warum müssen die Menschen immer so viel reden? Sie labern und labern und labern. Können sie nicht einfach einmal still sein?

(frei zitiert nach dem Film Ben X, Belgien 2007)

Der neueste Artikel von Meike (dieser hier) hat mich dankenswerter Weise daran erinnert, dass ich schon seit Längerem einen Artikel in der Schublade liegen habe, den ich nun einmal posten werde. Es geht um Harmonische Kommunikation. Harmonische Kommunikation ist sowohl das Dritte Glied des Edlen Achtfachen Pfades (dem Pfad zum Erwachen, wie Buddha ihn lehrte), als auch die vierte von Buddha gelehrte Tugendregel (musāvādā veramani sikkhāpadaṃ samādiyāmi: Ich gelobe, mich darin zu üben, nicht zu lügen und wohlwollend zu sprechen.) Hieran sieht man, dass Buddha großen Wert auf eine inhaltlich und auch sprachlich liebevolle Rede gelegt hat.

26. „Und was, Freunde, ist harmonische Rede? Enthaltung von unwahrer Rede, Enthaltung von böswilliger Rede, Enthaltung von groben Worten, und Enthaltung von sinnlosem Geschwätz – dies wird harmonische Rede genannt.“[1]

Zwei Dinge ziehen sich durch die gesamte buddhistischen Lehre: 1. liebevoll zu sich selbst zu sein, indem man innere Spannung durch innere Konflikte entspannt, und 2. liebevoll zu seinen Mitwesen zu sein. Letzteres zielt aber wiederum darauf ab, nicht in einen inneren Spannungszustand zu geraten, sondern weich, sanft und ruhig zu sein. Und natürlich ist das auch das Ziel der Harmonischen Kommunikation. Ich habe, nachdem ich über längere Zeit einmal die buddhistischen Grundsätze zur Harmonischen Kommunikation studiert habe, die entscheidenden Punkte zusammengefasst; wenn man diese einhält, vermeidet man Spannung im Innen und in Außen und praktiziert „gewaltfreie Kommunikation“:

Buddha lehrte die folgenden vier Punkte[2]:

Enthaltung von unwahrer Rede:

„Da, Cunda, ist einer ein Lügner: Befindet er sich in einer Gemeindeversammlung, in einer (anderen) Zusammenkunft, unter Verwandten, in der Gilde, oder wird er vor Gericht geladen und als Zeuge befragt: ‚Komm, lieber Mann, sage aus, was du weißt!‘, so sagt er, obwohl er nichts weiß: ‚Ich weiß es‘, oder wenn er etwas weiß: ‚Ich weiß es nicht‘. Obwohl er nichts gesehen hat, sagt er ‚Ich habe es gesehen‘, oder wenn er etwas gesehen hat: ‚Ich habe es nicht gesehen‘. So spricht er um seinetwillen oder um eines anderen willen oder um irgendeines weltlichen Vorteils willen eine bewußte Lüge.“

Enthaltung von böswilliger Rede:

„Er ist ein Zwischenträger: Was er hier gehört hat, erzählt er dort wieder, um diese zu entzweien; und was er dort gehört hat, erzählt er hier wieder, um jene zu entzweien. So entzweit er die Einträchtigen, hetzt die Entzweiten auf, findet Freude, Lust und Gefallen an Zwietracht, und Zwietracht fördernde Worte spricht er.“

Enthaltung von groben Worten:

„Er bedient sich roher Worte: Worte, die scharf sind, hart und andere verbittern, die von Verwünschungen und Gehässigkeiten erfüllt sind und nicht zur Sammlung des Geistes führen: solcher Worte bedient er sich“,   und

Enthaltung von sinnlosem Geschwätz:

„Er ist ein Schwätzer: Er redet zur Unzeit, unsachlich, zwecklos, nicht im Sinne der Lehre und Zucht; er führt Reden, die wertlos sind, unangebracht, ungebildet, unangemessen und sinnlos.“

Hier geht es insgesamt aber nicht nur um eine liebenswerte Art, mit anderen zu kommunizieren, sondern auch mit uns selber, unseren „inneren Dialog“. Eine liebevolle Ansprache an uns selbst ist besonders dann hilfreich, wenn es darum geht, uns selbst zu vergeben.

Jede Art von Selbstkritik oder Ärger, Widerwillen, Sorge, Angst, Unlust, Ablehnung und jede Spielart von „Ich will die Dinge anders als sie jetzt-hier sind“, die wir in Bezug auf uns selber äußern, bedeutet: Herausfallen aus der inneren Harmonie des gegenwärtigen Momentes. Dies wiederum unterstützt uns in dem Glauben an daran, dass wir unser Ego, das Konzept, das wir von uns haben, sind und führt zu exzessivem Anhaften und Grübeln. Dadurch verhärtet sich unser Geist uns selbst gegenüber und auch gegenüber unserer Umwelt.

Meditation, d.h. die Praxis mentaler Höherentwicklung, ist das Erlernen, die Ereignisse des gegenwärtigen Momentes liebevoll anzunehmen, und diese liebevolle Annahme uns und jedweder Person, mit der wir grade zusammen sind, mitzuteilen. Und wer ist die Person, mit der wir am meisten Zeit verbringen? Wir selber! Also sollten wir wirklich beginnen, liebevoll und gütig zu uns selbst zu sein, unser „inneres Kind“ zu pflegen und lieb zu haben.

 „Niemand, der sich selbst wahrhaft liebt, wird je einem anderen Wesen Leid zufügen“ (Buddha)

 „Liebe Deinen nächsten wie Dich selbst“ (Jesus)

Hier setzt auch wieder das von mir stets angepriesene Lächeln an: Dieses hilft, liebevolle und gütige Gedanken zu kultivieren.

Unter Harmonischer Kommunikation ist schließlich auch zu verstehen, achtsam darauf zu sein, den Anderen nicht mit dummem und sinnlosem Geschwätz zu belästigen oder von seiner eigenen Achtsamkeit abzulenken; zudem zu vermeiden, durch Erlebnisberichte wie den morgendlichen Stau, die eigene Ehekrise oder andere unangenehme Situationen andere Menschen an unserem Leid Teil haben zu lassen, ohne dass sie uns dazu eingeladen haben. Die moderne Psychologie weiß: Alles was uns zugetragen wird fasst unser Geist zunächst als eigenes Erleben auf! Das ist das Grundprinzip des Entstehens von Mitleid. So wenig jedoch, wie ich unter dem Leid eines anderen leiden möchte, möge der andere unter meinem Leid leiden. Wir alle wollen gar nicht leiden. Daher ist Harmonische Kommunikation so wichtig.

„Ich aber sage Euch, die Menschen müssen Rechenschaft ablegen am Jüngsten Tag über jedes unnütze Wort, das sie gesprochen haben. Aus Deinen Worten wirst Du gerechtfertigt werden, und aus deinen Worten wirst Du verdammt werden“ (Matth. 12, 36)

  „… denn Sankt Augustinus spricht: ‚Alle Gedanken und Worte, die ich rede, die weder mir noch meinem Nächsten zur ewigen Seligkeit nütze sind, weisen mich auf den Weg zur Hölle’.“ (Meister Eckhart)

 „Achte auf Deine Gedanken, denn sie werden Worte. Achte auf Deine Worte,denn sie werden Handlungen. Achte auf Deine Handlungen,denn sie werden Gewohnheiten. Achte auf Deine Gewohnheiten, denn sie werden Dein Charakter. Achte auf Deinen Charakter, denn er wird Dein Schicksal“. (Talmud)

In einer Übersicht könnte man die Harmonische Kommunikation wie folgt zusammenfassen:

Die folgenden Leitlinien beziehen sich immer auch auf die Kommunikation mit uns selbst (innerer Dialog)!

0] GRUNDSATZ: Halte Dich an das Gebot des Schweigens! Das bedeutet, schweige eigentlich erst einmal immer – und zwar nach Innen (in Gedanken) und nach Außen.

1] Erste Ausnahme zum Gebot des Schweigens:
Aber natürlich können wir nicht immerzu schweigen; darum ging es auch Buddha nicht! Deswegen mag man den Grundsatz erweitern auf: Sprich nur dann, wenn Du darum gebeten wirst; achte in diesem Fall auf eine liebevolle und Deinen Fähigkeiten gemäß niveauvolle Sprache, sprich in gemäßigtem und unaufdringlichem Tonfall.

Rückausnahme:
Es ist also in Ordnung, beizeiten zu reden, aber vermeide dabei persönliche Werturteile und Meinungskundgebungen! Sie können zu Streit führen und zu emotionaler Verwicklung. Halte Dich stattdessen an Fakten.

Rückausnahme von der Rückausnahme:
Aber auch Meinungsäußerungen können in Ordnung sein, wenn sie Deiner Liebe zum Dharma / dem Tao / dem Göttlichen (…) Ausdruck verleihen.

2] Zweite Ausnahme zum Gebot des Schweigens:
Es ist manchmal geboten, nicht nur zu sprechen, wenn wir selber angesprochen werden; es gilt auch manchmal, das Wort selbst zu ergreifen. Das ist jedenfalls der Fall, wenn

eine Aussage für den Adressaten von Belang oder Wichtigkeit ist; halte also keine wichtigen Informationen zurück (z.B. wenn Du weißt, auf der a§ ist Stau, und Dein Kollege fährt über sie nach Hause.)
Du selber eine Information dringend benötigst
Wenn für einen liebevollen Umgang mit den Mitmenschen Kommunikation angezeigt ist (Wenn Du zB jemanden siehst, der traurig ist, kannst Du ihn natürlich ansprechen)

3] Dritte Ausnahme zum Gebot des Schweigens:
Wenn Du mit Deiner Aussage zur allgemeinen Erheiterung beitragen kannst; Lachen und Freude ist immer gut, sie enthärtet unseren Geist.
 
Rückausnahme:
Der Spaß hat aber ein Ende, wenn die Erheiterung zynisch, bissig, gehässig oder sonst negativ ist oder auf Kosten anderer Menschen geht.

4] Vierte Ausnahme zum Gebot des Schweigens: Small-Talk in lockerer Runde.
Entspannte Kommunikation mit den Mitmenschen ist äußerst wichtig. Jedoch: Sei hier in besonderem Maße achtsam auf die Einhaltung der Grundsätze über die „Harmonische Kommunikation“, insbesondere darauf, dass Du

– Dich nicht selber in den Vordergrund spielst
– mit Deiner Aussage niemanden in Misskredit bringst
– nicht grob redest, insbesondere keine Fäkalsprache benutzt
– nach Möglichkeit nicht über negative Erlebnisse und Empfindungen sprichst

Bedenke auch die Grundsätze über nonverbale Kommunikation (Gestik, Sprechakte etc); der „Effenberg-Finger“ oder die herausgestreckte Zunge sollten ebenso vermieden werden wie boshafte Rede.

Sich an diese Grundsätze zu halten (und somit gewaltfreie Kommunikation zu üben) ist gleichzeitig wieder (wie alle Tugendregeln im Buddhismus) eine hervorragende Achtsamkeitsübung 🙂 – wir bleiben die ganze Zeit über in der Bebachtung unseres Geistes und lernen viel über seine Funktionsweise, vor allem, wie unheilsame Gedanken entstehen und wie es dann zu Ärger und bösen Worten kommt.

Versuche es einmal, es ist wirklich spannend und der Mühe wert.

METTA & SMILES 2 U

„Phra“ Michael

 


[1] MN 141

[2] AN (= Anguttara Nikaya = angereihte Lehrredensammlung) 10, 176