… auf dem Weg zur Erleuchtung 😉
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So kann’s einem gehen …
Veröffentlicht von dastorlosetor am 1. August 2013
https://dastorlosetor.wordpress.com/2013/08/01/so-kanns-einem-gehen/
(K)eine Reise zu mir selbst
Alles, was hier ist, ist auch anderswo;
und was hier nicht ist, ist nirgendwo
(Saraha)
Der Pauenhof am Niederrhein. Eigentlich Pfauenhof, weil hier in früherer Zeit Pfauen gezüchtet wurden. Wie wurde aus „Pfauenhof“ der „Pauenhof“? So genau weiß man es nicht. Aber eines ist sicher: Es ist ein besonderer Ort,
dieser, wenn man an ihm vorbei fährt, unscheinbare Hof. Und viel weiß man nicht wirklich über ihn. Im zweiten Weltkrieg haben die damaligen Betreiber vielen jüdischen Bewohnern aus dem Umland erfolgreich Versteck und Schutz vor der Nazi-Verfolgung gewährt. Was nach dem Krieg geschah, ist mir nicht bekannt. Vor etwa zwanzig Jahren übernahm „Michel“ den Hof, damals zurückgekehrt von einer Reise aus Indien und Nepal, wo er mit dem buddhistischen „Glauben“ und insbesondere dem tibetischen Buddhismus in Berührung kam. Er gründete zusammen mit einem tibetischen Lama das Meditationszentrum „Dharmasala“.
Mythologisch wird der Pfau als ein Tier beschrieben, das weniger an den Schönheiten des Waldes als an den Giftpflanzen interessiert ist. Diese sucht er und nimmt sie zu sich. Das Besondere ist, dass der Pfau, indem er Gift frisst, immer noch schöner wird, da er in der Lage ist, die schädliche Substanz umzuwandeln und für sich zu nutzen. Das ist die besondere Eigenschaft des Pfauen, und sie wird als Symbol für den Bodhisattva und seinen Umgang mit Leiden gewählt. Ein Bodhisattva ist ein Mensch, der sich auf dem Weg zur
Buddhaschaft zum Wohle aller Wesen befindet. Eine solche Person ist in ihrem Geist so eingestellt, dass sie eigene Leiden an Körper und Geist als etwas Geringes auffasst, als etwas nicht weiter Beachtenswertes. Die Leiden der anderen dagegen empfindet sie als unerträglich, und sie sieht es als ihre hauptsächliche Verantwortung an, diese Leiden zu beheben. Der Geist eines Bodhisattva ist sehr weit. Er hat ein großes Verantwortungsgefühl und nichts anderes im Sinn, als die Wesen von ihren Qualen zu erlösen. Deshalb setzt er das Glück der anderen über das eigene Wohl. Wenn eine Person mit einer solchen altruistischen Motivation selbst Schwierigkeiten erlebt, benutzt sie diese als Mittel, um das Leiden der anderen zu verringern.
Für mich ist der Pauenhof der Ort, an dem ich meinen ersten buddhistischen
Lehrer traf, der meinem Weg – bis dahin dem Soto-Zen gewidmet – eine neue Richtung verlieh: Die des Theravada. Und es ist erstaunlich, welche Veränderung sich hierdurch in meinem Leben manifestierte. Das „Umswitchen“ von der Strenge des Zazen und den peinlichst genau einzuhaltenden Ritualen des japanischen (und spürbar von der Samurai-Tradition geprägten) Zen, in welchem alles, aber auch wirklich alles haargenau strukturiert ist, und der dem Geist keine Chance lässt, sich vom gegenwärtigen Moment zu entfernen, hin zur Meditation der Liebenden-Güte und der Einsichtsmeditation, mit Mönchen als Lehrern, die teilweise sogar ihre Roben einfach nur „irgendwie“ anlegen (obwohl es durchaus auch da bestimmte Formen einzuhalten gäbe, die aber zugunsten der achtsamen Entfaltung des Geistes und im Sinne der Befreiung von Anhaftungen an Regeln geflissentlich vernachlässigt werden), und die – im Gegensatz z.B. zur thailändischen Tradition (die ich als Mönch vor Ort erleben durfte) sogar auf Niederwerfungen und Rezitationen verzichten … alles im Dienste der wohlverstandenen Achtsamkeit. Diese wirklich aufrecht zu erhalten erfordert Disziplin und Hingabe genug – da bedarf es keiner Rituale mehr – im Gegenteil werden sie allenthalben lästig.
Dies ist also der Ort, an den ich immer wieder einmal zurückkehre, regelmäßig ein oder zwei Mal im Jahr, und nun, aufgrund meiner Zeit im Kloster in Thailand und der Prüfung zum psychotherapeutischen Heilpraktiker, zum ersten Mal wieder nach fast zwei Jahren. Früher kam ich für Retreats (= „Exerzitien auf buddhistisch“), heute, um – ohne Lehrer – für einige Zeit in Klausur (seclusion) zu gehen – 10 Tage ohne Internet (jedenfalls weitgehend), ohne Telefon, ohne Musik, ohne sinnloses Geschwätz (mit Ausnahme von dem in meinem Kopf *smile*) – nur Sitzmeditation, etwas Sport, Taichi / Qi Gong, Gehmeditation, gelegentlich etwas Zen-Flöte spielen, einfach nur so dasitzen, kochen essen, urinieren, defäkieren, schlafen. Und es ist immer
wieder ein wenig wie ein nach Hause kommen. Die Reise dorthin ist lang, 3 Stunden mit dem Zug, dann noch einmal fast 45 Minuten mit dem Rad. Und dann: Ankommen … sich auf die Bank im Innenhof setzen, eine Pfeife rauchen und die Atmosphäre und – vor allem – die Stille wirken lassen.
Es ist eine merkwürdige Form gespannten Friedens, die mich ein jedes Mal durchdringt. Gespannter Friede … augenscheinlich ein Widerspruch, und doch: Es ist ein Gefühl von Frieden, eines Friedens, der nichts erwartet, und eine Gespanntheit, ob es gelingen wird, diese erwartungsfreie Absichtslosigkeit aufrecht zu erhalten. Was erwartet mich? Werde ich in liebevoller Annahme (weiter) verweilen können, auch wenn plötzlich eine Großgruppe hier eintrifft, um ein Wochenend-Seminar abzuhalten? Denn das passiert beizeiten – und ist auf der Homepage nicht angekündigt, sodass es für mich immer wieder eine Überraschung ist. So auch dieses Mal: Eine Gruppe von etwa 30 Gestalttherapeuten trifft am Samstag ein. Eine Art „Supervisionsgruppe“, die aber mit Spiritualität nichts zu tun hat. Stattdessen verbreiten sie eine große Unruhe und sind sehr laut – nicht zuletzt, weil sie abends draußen nett beisammen sitzen, literweise Wein in sich hineinschütten und zur Gitarre das Lied von den Moorsoldaten „singen“ (es sei erwähnt, dass auf dem Hof grundsätzlich Alkohol- und Drogenverbot herrscht …). Für mich eine erste Herausforderung … bin ich doch dorthin gekommen, um Stille zu genießen. Und es erscheint fast mottohaft, wenn man unweigerlich x-Mal am Tag folgendes Schild passiert:
Kaum ein Satz begleitet mich intensiver auch in meinem Alltag. Denn so ist es: Dinge welcher Art auch immer geschehen aufgrund einer inneren Stimmigkeit, im Rahmen einer kosmischen Harmonie. Was immer jetzt ist, hat seine Berechtigung aus sich selbst heraus, da zu sein – Geräusche, Düfte, Schmerz, Emotionen. Sie entstehen, weil ihre Entstehensbedingungen vorlagen. Erst mein Widerstand „stört“ diese kosmische Ordnung, weil „Ich“ die Dinge anders haben will, als das ewige Prinzip von Ursache und Wirkung es vorsehen. Und auf eine merkwürdige Weise durchdrang mich dieses Mal diese Erkenntnis, erreichte das im Kopf Verstandene mein Herz … und ich spürte keinen Widerstand gegen die lärmende Gruppe. Ich ließ sie gut sein.
Zur Wand sitzen
Die ersten Meditationen verliefen mäßig. Erwartungsgemäß. Denn nach all dem, was sich in den letzten 15 Monaten bei mir ereignet hatte, war es klar, dass mein Geist ein wenig Zeit benötigte, zur Ruhe zu kommen. Und sind es nicht zuletzt die „schlechten“ Meditationen, die uns am meisten lehren? Vipâssana-Meditation bedeutet, sich selber zu erkennen. Und die vielen Gedanken, die uns scheinbar von der tiefen Meditation abhalten, sind unsere Lehrmeister. Sie zeigen uns, wo unsere Anhaftungen liegen, was wir nicht loslassen können (denn es ist Unsinn zu sagen, dass uns etwas „nicht loslässt“ – es sind immer wir, die die Dinge nicht loslassen *smile*). Vipâssana-Meditation beginnt nicht mit dem Erreichen von jhânas (Meditationstiefen), mit dem Aufkommen eines Gefühls von Freude, Glückseligkeit und Frieden; vipâssana beginnt mit der bewussten Wahrnehmung der so genannten Hindernisse, die uns davon, in die tiefe Versenkung zu kommen, abhalten. Insoweit gibt es in der vipâssana keine schlechte Meditation! Wenn man in diesem Bewusstsein (und vor allem ohne die Absicht oder Erwartung, in tiefe jhânas zu gelangen) sich auf das Kissen setzt, beruhigt sich der Geist irgendwann von allein. Überhaupt geschieht alles in der Meditation von allein – nichts wird produziert, nichts herbeigeführt … die Geistesruhe kommt, oder sie kommt nicht … der Widerstand gegen die Unruhe erzeugt Unruhe, der Gleichmut gegenüber der Unruhe erschafft Gleichmut.
Und so verbrachte ich den gesamten dritten Tag meiner
seclusion in einer kleinen runden, von Bambus umgebenen Nische des Hofes vor dem Bildnis des Amitabah-Buddha vor einer weißen Wand. Ganz, wie es im Zen üblich ist. Und nachdem ich mir nach einigen Stunden auch im Herzen darüber klar wurde, dass es um nichts dabei geht, hier zu sitzen, dass es nichts zu erreichen gilt und den Buddha betrachtete in einem Bewusstsein, dass das „einfach nur so da und sein Selbstzweck ist“, ja, dass es gar keine Meditation gibt und niemanden, der meditiert, und auch keinen Bambus und keinen Buddha und keine Fliegen und keine Mücken und keinen Schmerz und keine Emotionen … schloss ich die Augen und war angelangt im … „Jenseits“. Nichts mehr da. Nur Erscheinungen ohne Namen, nur noch Begriffe ohne Inhalt, nur noch Empfindungen ohne jede Bedeutung – sogar die sagenhaft tief empfundene Freude war nicht von geringstem Belang. Den Rest des Tages verweilte ich in dieser wundervollen Stimmung. Und dann, am nächsten Morgen, setzte ich mich in der Gewissheit auf mein Kissen, dass der heutige Tag sich ebenso gestalten würde. Und damit saß ich … mit dem Kissen in der Falle: Anhaftung! *laaaach* Nur mit Mühe konnte man das, was ich da betrieb, als Meditation bezeichnen. „Nun, lass es gut sein!“
„Offene Weite …“
Meine kaputten Bandscheiben machten sich kurz darauf wieder bemerkbar. Und im Nachhinein frage ich mich, ob das völlig ausgelegene Lattenrost meines Bettes dafür verantwortlich zeichnete, oder … mein Kopf. Meditationen von einer Stunde Länge ohne auch nur die kleinste Bewegung waren nach bereits vier Tagen kaum mehr möglich, was mich verdross. Und je mehr ich mich meiner Ungeneigtheit hingab, desto größer wurde auch der Schmerz in meinem Rücken. Da waren sie wieder, meine alten Muster und Strukturen, der „Widerstand gegen das, was ist“. Es half naturgemäß wenig mir zu sagen: „Es sind nur Gedanken … ich vergebe mir und nehme mich liebevoll an.“ Eines meiner Ziele des Aufenthaltes auf dem Pauenhof war es freilich, die Meditationsform der „Vergebungsmeditation“ so weit zu ergründen, dass ich sie auch weitergeben kann (denn diese Form der Meditation ist von ungeheurer Kraft und geeignet, psychisch labile Menschen in schwere Depressionen zu stürzen. Sie bricht alles auf, sprengt alte Muster und Strukturen und zurück bleibt ein Gefühl völliger Leere. Nur in Begleitung eines erfahrenen Lehrers kann diese Leere dann in etwas Positives transformiert werden und ein sanfter Übergang stattfinden zur Meditation der Liebenden-Güte.) Die beste Meditationsform aber bringt nicht weiter, wenn sie nicht im Herzen spürbar ist. Und so legte ich sie beiseite und verlegte mich aufs Schauen. Nur sitzen und schauen, und den beizeiten heftigen Gewittern mit Blitz und Donner beim Geschehen zusehen. Und den Duft von nassen Kornfeldern und Kuhdung wahrnehmen … mich bezaubern lassen – oder besser (wie es Dr. Wolf-Dieter Storl treffend sagt): Mich entzaubern lassen, frei von Konzepten die Dinge so-sein lassen. Mich begeistern lassen von der Natur. Nur sitzen und schauen. Es war sicherlich keine klassische Meditation, wie ich sie an meine Schüler weitergeben würde, die ich da praktizierte, und gleichwohl war es eine Art von Meditation – eine, die mich in eine etwas andere Stille führte, die die Stimmen in meinem Kopf klar und deutlich werden ließ, wenn sie kamen, so dass ich sie verstand. Und eine, die Tränen fließen ließ.
„Wer noch niemals in der Meditation geweint hat,
der hat auch noch nie meditiert“
(Ajahn Chah)
Mein neuer Lehrer
Darf ich vorstellen? Mein neuer Lehrer: „Ajahn“ Raphael *smile*
Einer meiner häufigsten „Lehr“sätze lautet: „Wer weiß, wofür es gut ist?“ Und so begab es sich aufgrund meines Rückens, dass ich weitaus weniger Zeit auf dem Kissen verbrachte, als einfach nur damit, in Gehmeditation durch den Garten des Hofes zu lustwandeln, inmitten von Buddhas und Stupas, Obstbäumen und Brennnesseln (die übrigens auch frisch gepflückt sehr lecker schmecken *smile*).
Und oft begegnete ich dabei einer der festen Bewohnerinnen des Hofes, Yana (was amüsanter Weise auf Pali „Der Weg“ bedeutet), und ihrem Sohn Raphael, der während meines Aufenthaltes ein Jahr alt wurde. Und es zeigte sich, was geschehen kann, wenn man den Dingen einfach ihren Lauf lässt.
Die Vier Edlen Wahrheiten habe ich verstanden. Das Bedingte Entstehen habe ich verstanden. Die drei universellen Charakteristika anatta (Nicht-Selbst), anicca (Vergänglichkeit) und dukkha (das Wesen des Leids) habe ich verstanden. Ich verstehe mich auf Meditation und auf vieles mehr. Aber: Verstehe ich mich auch darauf, einen Grashalm oder einen Legostein 10 Minuten lang zu begutachten und zu erforschen? Verstehe ich mich darauf, was immer ich in meinen Händen halte, einem fremden Menschen darzureichen? Ihn an der Neuentdeckung teilhaben zu lassen? Verstehe ich mich darauf, alles immer wieder als neu und unbekannt zu betrachten; allem zu erlauben, mich immer wieder auf’s Neue zu verzücken und zu faszinieren? Kann ein Kieselstein mich in seinen Bann ziehen? Oder eine Fliege? Verstehe ich mich darauf, zu lachen, wenn ich fröhlich bin? Und zu weinen, wenn ich traurig bin?
„Lasst die Kinder zu mir kommen; hindert sie nicht daran! Denn Menschen wie ihnen gehört das Reich Gottes. Amen, das sage ich euch: Wer das Reich Gottes nicht so annimmt, wie ein Kind, der wird nicht hineinkommen.“ (Ev. nach Markus, Kapitel 10.13-16)
Die Erlebnisse mit „Ajahn“ (so nennt man eigentlich anerkannte buddhistische Lehrer *smile*) Raphael brachten mir auf eine sehr subtile Weise eine Art Heilung. Und es rührte mein Herz an, als ich erfuhr, was der Name Raphael bedeutet: „Gott heilt“.
Wohin geht die Reise?
Sicher nicht dahin, wohin wir glauben, dass sie führt; und schon gar nicht
dorthin, wohin wir wollen. Brücken führen ins Nichts, Treppen steigen auf in die Leere … und nur, wenn wir verstehen, dass das Nichts und die Leere unser Ziel ist, haben wir eine Chance, es zu erreichen.
Wer nicht suchet, der findet. Der Rückweg ist der Hinweg, der Hinweg ist der Rückweg. Der Aufbruch ist das Ankommen, das Ankommen der Aufbruch. Kaum eines der Ziele, die ich mir für die 10 Tage gesetzt hatte, hatte ich erreicht. Und doch habe ich vermutlich mehr gelernt, als ich mir „erhofft“ hatte. Das Wetter war so unbeschreiblich wechselhaft wie meine Stimmungen und Emotionen – in 10 Tagen gab es Sturm, Gewitter, Dauerregen, strahlenden Sonnenschein mit über 30°C, fast tropisch anmutende drückende Schwüle … eigentlich alles, was man sich vorstellen kann, bis auf Schnee *smile*. So ist das Leben. So ist der Weg.
Auf einen abgerissenen Zettel, den ich in meiner Jackentasche auf der Rückfahrt im Zug fand, notierte ich:
„Blick auf die Klemme einer Halterung am Fahrrad. In der Peripherie: Bewegung und Geräusch – einfach nur so. Warum sollte die Zugfahrt so bald wie möglich enden? Sie könnte meinethalben noch Stunden dauern – lass mir nur den Blick auf diese Klemme … dann kann sie Ewigkeiten überdauern. Auf ihre Weise tut sie das ja ohnehin. Die Kunst, so scheint mir, ist, sich zu freuen auf das Ende, und den Weg zu würdigen, und sich zu erfreuen am Weg, ohne sein Ende zu verdrängen. Leben ist Sterben. Sterben ist Geburt – welch freudvolle Harmonie im Frieden der Vergänglichkeit.“
Wer kein Ziel hat, der kann sich auch nicht verlaufen …
Veröffentlicht von dastorlosetor am 26. Juni 2013
https://dastorlosetor.wordpress.com/2013/06/26/keine-reise-zu-mir-selbst/
Götterdämmerung
Erhabene Stille des Nichts
Wo keine Sehnsucht
und keine Hoffnung
und kein Wünschen
sich berauscht
am Sein.
Und kein Suchen.
Traumloser Traum
nach Aufgabe des Letzten
Nur noch Nichts
Nichts im Norden, Nichts im Süden,
Nichts im Westen, Nichts im Osten
Nichts oben, Nichts unten
Zwischen „Jenes“ und „Ich“ nur Nichts
Durchdrungenheit
Ein letztes Schweigen
in der Gestorbenheit
Erhabene Belanglosigkeit
des Nennbaren
Fühlbaren
Spürbaren
Verschmolzen in umfassender Sinnlosigkeit
friedvoller Sinnlosigkeit
belebender Sinnlosigkeit
die keines Sinns entbehrt
Willkommenheißen
den Tod und Schmerz und das Verderben
die Liebe und Zärtlichkeit und die Geburt
und allem gleichzeitig ins Auge blicken
Entworden
dem Schein des scheinbar Unscheinbaren
Angekommen im
„Nie gewesen und nie nicht gewesen“
Jenseits –
in den Abgrund gestürzt
– dem Erhabendsten alles Erhabenen –
und ganz tot.
endlich unendlich
nur für den Moment
oder für die Ewigkeit
Hurrah!
Veröffentlicht von dastorlosetor am 25. Januar 2013
https://dastorlosetor.wordpress.com/2013/01/25/gotterdammerung/
Nada Brahma – Die Welt ist Klang
Namasté, Ihr Lieben!
Ich habe vorgestern ein recht meditatives Video produziert und möchte es nun mit Euch teilen 🙂
Ich wünsche Euch viel Spaß und Erbauung damit!
Veröffentlicht von dastorlosetor am 8. September 2012
https://dastorlosetor.wordpress.com/2012/09/08/nada-brahma-die-welt-ist-klang/
Ame ni mo makezu: Selbst dem Regen trotzen
Auf dieses wundervolle Gedicht stieß ich heute, und es hat mich so außergewöhnlich berührt, dass ich es gern mit Euch teilen möchte:
Selbst dem Regen trotzen
und dem Wind
sowohl dem Schnee als auch der Hitze des Sommers
mit einem widerstehenden gesunden Körper
Ohne Begierde
Niemals zürnend
Immer friedlich lächelnd
Täglich vier Schalen unpolierten Reis und
Miso und etwas Gemüse zu essen
Mein Möglichstes tun
Nicht an mich selbst denken
Gut hinschauen und hinhören und verstehen
und nicht vergessen
Im Schatten des Kiefernhains auf der Wiese
in einer kleinen schilfgedeckten Hütte sein
Wenn im Osten ein krankes Kind ist
hingehen und am Krankenbett wachend helfen
Wenn im Westen eine erschöpfte Mutter ist
hingehen und ihr Reisbündel schultern
Wenn im Süden ein sterbender Mensch ist
hingehen und sagen, er braucht keine Angst zu haben
Wenn im Norden ein Kampf oder ein Rechtsstreit ist
sagen, mit dem Nichtswürdigen aufzuhören
In Zeiten der Dürre Tränen vergießen
Im kalten Sommer ratlos umhergehen
Von allen Dummkopf geheißen werden
Nicht gelobt werden
Keinen Kummer verursachen
So ein Mensch
möchte ich werden
Miyazawa Kenji
Mögen alle Wesen glücklich sein
Metta sendet
„Phra“ Michael
Veröffentlicht von dastorlosetor am 17. August 2012
https://dastorlosetor.wordpress.com/2012/08/17/ame-ni-mo-makezu-selbst-dem-regen-trotzen/
„Leitartikel“ – Das torlose Tor
Eigentlich entstammt „Das torlose Tor“ als Koan (einem Rätsel, das oberflächlich betrachtet paradox erscheint und sich erst klärt, wenn man nicht versucht, es durch intellektuellen Zugang zu lösen) dem Zen-Buddhismus. Ich habe es zum Leitmotiv dieses Blogs gewählt, weil mich das diesem Bild zugrunde liegende Prinzip fasziniert und es – wie ich finde – unglaublich viele Antworten bereithält.
Allen voran … auf die Frage nach der Suche. „Du kannst nicht finden, bevor Du nicht aufgehört hast, zu suchen“, heißt es vielfach. Das stimmt, aber wieso ist das so? Solange wir etwas bestimmtes suchen, haben wir natürlich eine mehr oder weniger konkrete Vorstellung von dem, was wir suchen, sei es „Erleuchtung“, sei es „innerer Frieden“ oder sei es auch nur die Vorstellung selbst, dass es ein Ziel gibt, wo man hingelangen kann, und dass man dieses Ziel dem Verstand zugänglich machen kann.
Alles aber, was dem Verstand zugänglich ist, ist Interpretation und somit gefärbt von unseren individuellen neuronalen Strukturen, m.a.W. von dem, wie wir gelernt haben, die Dinge zu interpretieren und zu benennen. Was jedoch interpretiert ist, ist nicht mehr das, was es ist, wenn es ganz natürlich, bar jeder Interpretation und Deutung und Benennung ist. Unsere gesamte Wahrnehmung ist nur ein verzerrtes Spiegelbild des „Originals“, das auch gern „Wahre Wirklichkeit“ oder „Das Absolute“ genannt wird.
(Ich möchte zur Vertiefung auf einen Aufsatz auf rafananda.de hinweisen: Anatta – Nicht-Selbst)
Wenn wir das Absolute suchen (absolvere: (Lat.) Loslösen; also das vom „intellektuellen Verständnis“ Losgelöste), dann können wir dies nicht mit den Augen des Relativen tun – es wäre, als wollte man mit den Augen riechen oder mit den Ohren schmecken. Das Absolute liegt nicht im „Zuständigkeitsbereich“ unseres Verstandes. Daher ist es so wichtig, eben nicht zu suchen, das Konzept von etwas, das wir mutmaßlich finden könnten, loszulassen und statt dessen einfach nur zu schauen – urteilslos, absichtslos, interpretationslos.
„Suche es nicht, benenne es nicht, lerne es nicht;
sei weit offen wie der Himmel, und Du bist auf dem Weg“
(Zen-Meister Nansen)
Wenn uns das gelingt, dann finden wir plötzlich etwas auf, ohne es gesucht zu haben –ganz automatisch: Die Sicht der Dinge ohne unsere konzeptuelle Färbung. Dazu gehört freilich, sich wirklich in die Lage zu versetzen zu können, alle Konzepte, Vorstellungen und Ideen loslassen zu können (nur zu können! Es geht nicht darum, sich von ihnen gänzlich abzukehren – das wäre fatal!).
Wenn der Geist ganz ruhig wird, wenn wir die Konzepte losgelassen haben, dann tut sich uns plötzlich eben die Perspektive des Namenlosen, des Absoluten auf – das ist ein Effekt von Meditation. In der Meditation geht es also nicht darum, etwas zu erreichen, zu gewinnen (oder eben zu finden), sondern darum, etwas loszulassen, weg zu nehmen, nämlich eben unsere Konzepte und gedanklichen Vorstellungen und Ideen, die allesamt unseren Blick verdunkeln.
Das wissen darum, wie die Dinge wirklich sind, also um die absolute Wahrheit (man könnte es auch das Göttliche nennen, oder das Eine), liegt also bereits in uns vor, wir müssen es lediglich wieder ent-decken, denn es ist ver-deckt eben durch die Gedanken, die uns mit den Konzepten versorgen, die uns vernebeln.
Und so kommen wir auf den Punkt: Wenn das Wissen und die Erkenntnis bereits tief in uns vorliegen, dann können wir dort nicht mehr hingelangen. Und ebenso versteht sich das torlose Tor: Wir gehen im Zuge der Erkenntnis und der Erfahrung des Einen, des Göttlichen durch ein Tor, von dem wir im Anschluss feststellen, dass da gar kein Tor war; alles – alle Fragen und alle Antworten – waren immer da, es gibt nichts, wo man hingelangen kann; man kann sich nur einer neuen Perspektive öffnen und die alte Perspektive loslassen. Dies ist das Portal …
Also gibt es doch ein Tor, durch das man gehen kann? Ja … und eben nicht … es ist ein torloses Tor. Wenn wir versuchen, hindurchzugehen, verschließt es sich! Lassen wir den Versuch los und öffnen uns ganz dem gegenwärtigen Moment, öffnet sich das Tor nicht nur, sondern es verschwindet. Es eröffnet sich die Perspektive des Ewigen, des Absoluten – dies ist die „Offenbarung“.
Metta sendet Euch
Michael
Veröffentlicht von dastorlosetor am 13. Juni 2012
https://dastorlosetor.wordpress.com/2012/06/13/leitartikel-das-torlose-tor/