Methodische Meditation – „BLESSED“

Das Akronym „BLESSED“:

Wir haben bei Betrachtung der 4 Edlen Wahrheiten gesehen, dass Buddha das Begehren als Ursache für unser Leid erkannt hat. Meditation nun soll uns dazu verhelfen zu erkennen, wie Begehren (und somit Leid) entsteht und wie wir das Begehren loslassen können. Für Letzteres gibt es eine bestimmte Methode, die in der Meditation zur Anwendung kommt, und diese Methode fasse ich mit dem Akronym „BLESSED“[1] zusammen. Sie stellt das zentrale Gerüst der buddhistischen Meditation dar:

Merksatz:                          Buddhistische Meditation hat das Ziel,

 Unheilsames (in uns) loszulassen und Heilsames (in uns) zum Entstehen zu bringen.

Zum Verständnis dieser Methode dient eine leicht nachvollziehbare Beobachtung:

Wenn wir einen körperlichen oder mentalen Schmerz empfinden, kommt es in unserem Körper zu einem Ausstoß von Stresshormonen. Dies ist stets die erste Reaktion unseres Körpers und ein natürlicher Vorgang: Der Körper bereitet sich vor auf Angriff oder Flucht. Allerdings entsteht hierdurch auch ein recht unangenehmes Gefühl insbesondere im Solarplexus. Gegen dieses unangenehme Gefühl leisten wir inneren Widerstand – das ist Begehren: „Ich will das nicht haben, ich will, dass das weg geht!!“ Dieser Widerstand manifestiert sich physisch in unserem Kopf und unserem Körper als eine Anspannung, eine Verengung und Verkrampfung[2]. Im Umkehrschluss bedeutet das aber auch: Wenn wir eben diese Verkrampfung und Verspannung loslassen, dann lassen wir damit auch das Begehren los!

Begehren manifestiert physisch sich als Verkrampfung und Verengung.

Indem wir die Verkrampfung und Verengung lösen, als entspannen,

lassen wir das Begehren los.

 Dem trägt „BLESSED“ Rechnung; es handelt sich um einen Kreis, der immer und immer wieder durchlaufen wird, sobald eine Ablenkung die Aufmerksamkeit vom Meditationsobjekt (zB dem Atmen) fortzieht. (Einige Erläuterungen hierzu findest Du auch hier: http://rafananda.de/ -> über Meditation -> FAQs zur Meditation). In einer Übersicht sieht der Kreis so aus:

Zur Erläuterung:

Bemerken

Erkenne unmittelbar die Ablenkung Deines Geistes von Deiner

momentanen Tätigkeit, also, dass Du nicht „bei der Sache“ bist

Dies kann am Anfang begleitet sein von einem kleinen „Ach … schau her – ein Gedanke ist da :)“ Im Satipatthana-Sutta sagt Buddha: „So übt der Mönch: «Ein Körper ist da», «ein Gefühl ist da», ««Denken ist da», «ein Gedanke ist da» – und auch nur, soweit es der Erkenntnis dient.“ Das bedeutet: Lass diesen „Begleitsatz“ irgendwann los – er ist ein Kommentar aus dem Kopf und somit ebenfalls ein Gedanke. Er kann aber für Anfänger hilfreich sein.

 Loslassen

Lass den Gedanken los; er löst sich allein

durch seine Kenntnisnahme von allein auf

Lass den Gedanken da sein! Die Tatsache, dass ein Gedanke da ist, ist in dem Moment die Wahrheit, und mit der Wahrheit des gegenwärtigen Momentes zu kämpfen ist töricht und der Grund für Leid. Nimm ihn also zur Kenntnis, schenke ihm jedoch nicht mehr Beachtung als einzig: „Gedanken sind da.“ Gestehe jeder Ablenkung, jedem Gedanken, jedem Geräusch oder worin sonst die Ablenkung bestehen mag den Raum zu, da zu sein – was immer da ist, hat ein Recht da zu sein, sonst wäre es nicht da! Du kannst also die Ablenkung zur Kenntnis nehmen mit einem lapidaren „Ok …:)“ Dann löst Du Dich aus dem Gedankentunnel, öffnest Dich wieder der Wahrnehmung Deiner selbst und der Peripherie im Jetzt-Hier.

 Entspannen

Entspanne die im Kopf und Körper durch den Gedanken

entstandene Spannung / Verengung / Verkrampfung

Jeder Gedanke hinterlässt eine gewisse Spannung im Kopf, da sich der Geist sich auf ihn fokussiert, wie eine mentale Faust. Ist der Gedanke weggezogen, so kannst Du spüren, wie die Faust / Dein Geist sich wieder öffnet – wie eine Blüte im ersten morgendlichen Sonnenstrahl. Damit öffnest Du Dich bildlich aber auch tatsächlich wieder ganz dem gegenwärtigen Moment, bist wieder ganz präsent – die Spannung in Kopf und Körper löst sich. Aber bleib nicht daran hängen, etwa in Form eines „entspannen … entspannen … entspannen … entspannen ….“ Scanne ein Mal vom Scheitel abwärts Deinen Körper, und fühle, wie die Spannung sich löst. Du kannst dabei auch ein oder zwei Mal befreit aufatmen und erleichtert ausatmen, ganz so, wie Du es kennst, wenn Du zum Beispiel eben aus einer Prüfung kommst, oder etwas Schlimmes um Haaresbreite nicht eingetreten ist. Fühle einfach den Frieden und die Ruhe, die Erleichterung, die eintritt und …

 Smile!

Lege wieder ein Lächeln in den Geist,

auf die Lippen und in Dein Herz

Auf die Bedeutung des Lächelns während der Sitzmeditation, aber auch während des ganzen Tages kann nicht oft genug hingewiesen werden. An dieser Stelle der Sitzmeditation wirst Du möglicherweise feststellen, dass sich das Lächeln von ganz allein auf Deine Lippen zaubert

 „Sometimes your joy is the source of your smile, but

sometimes your smile can be the source of your joy.“
(Thich Nhat Hanh)

  Schauen & beobachten

Finde wieder zu Deiner Tätigkeit / dem Meditationsobjekt

zurück und beobachte es

Ich bezeichne BLESSED gern als eine Art ‚Reset-Schalter’, da man, mit ein bisschen Übung, nach ihrem Durchlaufen für einen ganz kurzen Moment ein wenig das Gefühl hat, als wäre alles auf Null zurück gestellt – kein Gedanke da, nur reines Gewahrsein, bereit für eine neue Runde.

 Erheitern

Der Buddha sagt in seiner Lehrrede über die Atembetrachtung (anapanasati-Sutta, MN 118): „So weilt er (der Praktizierende) in heiterem / freudvollen Interesse“. Die buddhistische Lehre kennt sieben so genannte Erleuchtungsglieder, das sind geistige Eigenschaften, die zum Erreichen von Erleuchtung unabdingbar sind. Eines davon ist Forschergeist (manchmal auch Anfängergeist genannt), und ein weiteres ist Freude oder Heiterkeit. Daran sieht man die Bedeutung, in seinem Beobachten interessiert und fröhlich zu sein.

 Dhamma sehen und verstehen

Dhamma ist ein auf viele Arten übersetzter Begriff: «Lehre des Buddha», «Wahrheit», «Erscheinungen» u.v.m. Im Wesentlichen steht dieser Begriff für die Wahre Natur der Dinge. Dahinter verbirgt sich: Das intellektuelle Verstehen sowie das durch eigenes Erleben Erfahren aller Dinge im Kosmos als reine Prozesse, unpersönlich und dem Wesen nach einfach nur seiend. Dies in Worte zu fassen ist müßig; es bedarf der eigenen Erfahrung. „Ehi-passiko: Komm und sieh selbst“.

Wenn wir diesen „BLESSED“- Kreis immer und immer wieder durchlaufen, sowohl auf dem Kissen als auch im Alltag, dann entwickeln wir das, was im Buddhismus unter „vipâssana-Achtsamkeit“ verstanden wird:

Definition:                                 

vipâssana – ACHTSAMKEIT bedeutet:

 

Nicht zu vergessen zu beobachten, wie

unsere Aufmerksamkeit

 sich von einem Objekt zum anderen bewegt.

Noch eine wichtige Anmerkung zu BLESSED:

Es geht in der buddhistischen Lehre niemals darum, irgendetwas zu kontrollieren, sondern darum, die Dinge, so wie sie sind, da sein zu lassen, ohne sich gedanklich-emotional in sie zu verstricken. Wir nutzen also BLESSED nicht als Mittel zum dem Zweck, etwas Unangenehmen, das auftritt, los zu werden! Wenn also ein Schmerz oder irgendein anderes Hindernis in der Meditation auftritt, wird es nicht „weggeblessed“, sondern lediglich die Aufmerksamkeit sanft zurückgeführt zum Meditationsobjekt.

Wenn wir etwas korrigieren wollen, geben wir unserem Begehren nach und das führt zu Ich-Verstrickungen (Anhaftung); damit sitzen wir in der Falle.

„ … (es) bedarf einer umfassenden Bewusstheit, eines unmittelbaren Gewahrseins des inneren Lebensprozesses, ohne ihn zu korrigieren, ohne vorzuschreiben, was er (der Geist) sein sollte oder nicht sein sollte. Denn in dem Augenblick, da Sie korrigieren, haben Sie eine andere Autorität, einen Zensor eingesetzt.

(Krishnamurti)

Jedes manipulierende oder korrigierende Eingreifen in den Geist führt zur geistigen Erschöpfung; auf diese Weise gelangt man nicht zur Befreiung des Geistes.

(Zen-Meister Zensho Kopp)


[1] auf Englisch heißt der Erhabene, wie Buddha auch genannt wird, „The Blessed One“

[2] Daher kommt jenes „Es ziehen sich mir die Magenwände zusammen“.

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4 Kommentare

  1. Einer

     /  13. November 2014

    Hi, warst Du mal beim Erwürdigen Vimalaramsi im Retreat?

    Antworten
    • Ich grüße Dich 🙂 !
      Vorab: Ich denke, es ist eine Frage der Höflichkeit und des Respekts, eine kurze Grußformel an das Ende eines Textes zu schreiben, wenn man sich noch nicht kennt. Zumindest wüsste ich gern, wie ich Dich anreden darf 😉 Danke für Dein Verständnis
      Zu Deiner Frage: Ich habe meine buddhistische Praxis vor vielen Jahren bei Bhante Vimalaramsi begonnen – er war mein erster Lehrer. Der BLESSED-Kreis, den ich inzwischen lehre, lehnt sich sichtbar an seine 6R an; sie wird, wie ich inzwischen festgestellt habe, aber auch von anderen Lehrern in ähnlicher Form gelehrt (so zB von Ajahn Brahmavamso). Bhante hat also kein (c) darauf *smile*. In jedem Fall aber ist er meines Wissens nach der Einzige, der darauf hinweist, dass es sich hierbei um die Umsetzung des 6 Gliedes des Achtfachen Pfades (rechtes / harmonisches Sichbemühen) handelt. Ich habe dies übernommen, weil ich festgestellt habe, dass in diesem BLESSED-Kreis alle gängigen psychotherapeutischen Interventionsmethoden auffindbar sind – für mich als Therapeuten eine wichtige und sehr praktische Erkenntnis.

      Von Bhante Vimalaramsi distanziere ich mich allerdings inzwischen aus verschiedenen Gründen, die ich aber aus Gründen des Respekts vor einem Mahathera nicht ausführen möchte 🙂

      Mit METTA
      Atishakaro Anagarika

      Antworten
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