Namasté 🙂
Das Thema Angst ist eines, auf das ich beim Durchblättern von Blogs immer wieder stoße. Und es überrascht nicht, denn dieses Thema beherrscht unseren Alltag wie kaum ein Zweites. Begriffspaare sind hier wohl Angst und Sorge, Angst und Mut, aber auch Angst und Wut.
Klären sollte man an dieser Stelle vorab, dass Angst und Furcht zwei verschiedene Dinge sind. Furcht ist eine „Realangst“, eine Angst vor einer konkreten äußerlichen Bedrohung in einer Gefahrensituation. Von Angst spricht man also, wenn eben keine akute Gefahrensituation vorliegt. Dieser kleine Exkurs macht bereits deutlich, dass Angst, um die es hier gehen soll, immer nur im Kopf statt findet. Sie hat, aus spiritueller Sicht, keinerlei Realitätsbezug, denn real ist lediglich das, was jetzt-hier ist.
Nähern wir uns der Angst einmal an, indem wir fragen: Gibt es eigentlich verschiedene Ängste, oder gibt es nur Angst? Ich las kürzlich in einem Buch eines spirituellen Lehrers, es gebe drei Hauptkategorien von Angst: Angst vor Verlust (inklusive des Verlusts von Gesundheit und Leben), die Angst, was Andere über uns denken und schließlich die Angst vor psychischem Schmerz. Damit bin ich nicht ganz glücklich. Mir scheint, es gebe eher nur eine Art von Angst, und das ist die vor Verlust. Die Angst davor, was andere über einen denken ist die Angst vor dem Verlust von Status und Ansehen (hier nicht negativ gemeint; das schließt die soziale Akzeptanz mit ein und ist somit auch die Angst vor Isolation), welche somit den (in meinen Augen allem zugrunde liegenden) Art- und Selbsterhaltungstrieb anlangt, und die Angst vor physischem Schmerz ist die Angst vor Verlust von relativem Wohlbefinden.
Es gibt also nur eine Angst. Das zu wissen, macht sie aber nicht angenehmer ;). Angst hemmt, paralysiert manchmal sogar, hindert uns daran, Dinge zu tun, von denen unser Herz sagt, wir sollten sie tun. Sie kann sogar physisch krank machen. Das klingt alles nicht schön, und wirft die Frage auf, ob man Angst dann nicht überwinden sollte – das wäre ja die einfachste Lösung. Nun, natürlich ist dem so, die Frage ist nur die, die sich Psychologen, Psychiater und Psychotherapeuten seit Ewigkeiten stellen WIE? Ich möchte hier einmal einen Ansatz darstellen, der mir am Meisten Sinn zu machen scheint. Es ist ein transpersonal-kognitiver Ansatz.
Diese Angst, wie entsteht sie? Ich habe oben bereits angedeutet, sie entsteht in unserem Kopf, ohne dass eine konkrete Bedrohungssituation bestünde. Sie entspringt der (in vielen Fällen sehr vagen oder gänzlich unkonkreten) Vorstellung, dass etwas passieren könnte, das uns schadet. Das führt mich zu folgender Frage: Was schadet uns eigentlich? Nach dem oben Gesagten: jeder Verlust. Betrachten wir aber einmal Verlust, dann stellen wir fest: Verlust setzt immer voraus, dass wir es vorher hatten. Weiter denken wir in der Regel nicht. Tun wir es doch, dann müssen wir sagen: Verlust ist die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand, also in die Situation, bevor wir erlangt haben. Verliere ich also etwas, dann stehe ich nicht schlechter da, als ich vorher gestanden habe, sondern genau so!! Diese Überlegung macht unser Ego aber nicht mit, so rational stimmig sie auch sein mag. Moderne kognitive Verhaltenstherapie greift meist genau an diesem rationalen Punkt an, und übersieht dabei, dass das Problem nicht die Logik ist, sondern das Gesamtkonzept „Ego“. Dem trägt „mein“ transpersonaler Ansatz Rechnung: Indem wir das Ego transzendieren, erledigt sich die Vorstellung, dass „Ich“ etwas verlieren könnte. Ist das Ego transzendiert, bleibt nur der Bewusstseinsstatus des Status quo – also des Jetzt-Hier. Wenn „ich“ aber nichts mehr zu verlieren habe, dann entfällt natürlich die Angst vor dem Verlust. Das führt mich zu folgender Feststellung:
Es geht nicht darum, die Angst zu überwinden, sondern zu verstehen, wo ihre Ursache liegt. Die Ursache ist das Ego mit seinen Vorstellungen, wie die Dinge gefälligst zu sein haben. Es geht also darum, das Ego zu überwinden (zu transzendieren); dann überwinden wir gleichzeitig unsere Angst.
In welchem Zusammenhang steht dann Mut? Ich las kürzlich hier: „Warum benötige ich Mut mich meinen Ängsten zu stellen? Ich könnte es auch mit Gelassenheit oder Neugier probieren, mich der Angst zu nähern“. Diese Aussage ist ein wenig irreführend, denn sie suggeriert, dass zwischen „Mir“ und der „Angst“ eine Trennung vorliegt. Dass das nicht sein kann zeigt sich deutlich darin, dass die Angst in dem Moment verschwindet, wenn ich nicht mehr da bin – sie kann nicht unabhängig von mir weiter existieren, wenn ich zB sterbe.
Etwas Richtiges beinhaltet diese Aussage aber dennoch: Wenn wir gelernt haben, objektiver Beobachter all dessen zu sein, was sich an Erscheinungen erhebt (Gedanken, Emotionen, aber eben auch Ängste), dann können wir als „reiner Beobachter“ auf eine Distanz zu dieser Angst gehen, die es uns erlaubt, uns nicht mehr mit ihr zu identifizieren, sie nicht mehr persönlich zu nehmen, an ihr anzuhaften. Wo spielt da der Mut eine Rolle? Exakt hier! Es bedarf eines enormen Mutes, sich selbst loszulassen, und dieser Mut kann nicht kognitiv erlernt werden; er muss aus der vipâssana-Erfahrung heraus entstehen, dass alles, was wir für „Das bin ICH“ halten, lediglich völlig unpersönliche, ich- und substanzlose Vorgänge im Rahmen eines kosmischen Gesamtvorganges handelt, in welchem das vom Baum fallende Blatt ebenso wenig „Ich“ ist wie ein Gedanke, der in mir erscheint. „Wo immer Du Dich findest, da lass Dich los“, sagt Meister Eckhart. Anders gesagt: Hör auf, Verknüpfungen zwischen „Dir“ und dem Rest der Welt herzustellen – lass die Existenz in Ruhe vor sich hin existieren, ohne ihr ständig Deinen Willen aufzwingen zu wollen. Das im Übrigen ist Gleichmut. Gleichmut kann einzig entstehen in der Erkenntnis, dass das Bild, das ich von mir habe nicht identisch ist mit dem, was ich BIN. Gleichmut ist der Mut zu sehen, dass in der Essenz alles gleich ist 😉
Das Phantastische daran ist: Dieses Prinzip gilt für sämtliche Bereiche negativer Emotionen wie eben Angst, aber auch Eifersucht, Wut, Neid oder Gier. Sie alle stellen einen Bezug, oder besser, eine „Beziehung“ zwischen einem Zustand oder Tatbestand und „mir“, eine Art Bindeglied her. Fehlt das „Ich“, das „Ego“, dann bleibt der Zustand oder Tatbestand für sich allein und wird damit, was er eigentlich ist: völlig neutral. Es entfällt somit also auch noch zusätzlich die Bewertung von Umständen – sie sind einfach nur, wie sie sind.
Ich würde mich freuen, wenn ich mit diesem Artikel einen kleinen Beitrag dazu leisten konnte, ein wenig Licht in das Thema „Angst“ zu bringen, auch wenn dies natürlich nur ein kurzer Abriss eines sehr umfangreichen Themas war.
Metta sendet Euch von Herzen
„Phra“ Michael